„Eines der bestgehütesten kulinarischen Geheimnisse“
Die Nordiren sind stolz auf ihr kulinarisches Erbe – und sie feiern es 2016 mit dem Northern Ireland Year of Food and Drink. An 366 Tagen warten überall im Land Kochkurse, Bauernmärkte, Bierverkostungen und Backwettbewerbe. Dabei ist jeder Monat einem anderen Motto gewidmet: So steht der Februar im Zeichen lokal produzierter Lebensmittel während im März traditionelles Kochen in den Mittelpunkt rückt. Wer sich außerdem für Lebensmittelprodukte des Landes interessiert, dem sei ein Blick in die Top-50-Produktliste der Great Taste Awards empfohlen, die jedes Jahr von einer 400-köpfigen Fachjury ermittelt wird. Für den nordirischen Starkoch und Food-Autor James McIntosh steht jedoch fest: Der heimliche Star der nordirischen Küche ist die Kartoffel!
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“Nordirland ist eines der bestgehüteten kulinarischen Geheimnisse der Welt”, sagt James McIntosh, der selbst auf einer Farm in der nordirischen Grafschaft Armagh aufgewachsen ist und schon früh mit den Lebensmitteln seiner Heimat vertraut war. Als Botschafter der nordirischen Küche weiß er um deren herausragende Qualität, die von perfekten klimatischen Bedingungen auf der grünen Insel profitieren. Wollen Gourmets also die Küche des Landes kennenlernen, so empfiehlt sich besonders in diesem Jahr ein kulinarischer Abstecher dorthin, denn es widmen sich zahlreiche Events dem Thema Essen und Trinken.
Höhepunkte im kulinarischen Kalender sind zum Beispiel das Lachs- und Whiskey-Festival der Brennerei Bushmills in der Grafschaft Antrim, das Rathlin Sound Maritime Festival vom 27. Mai bis zum 5. Juni in Ballycastle – samt Segel-Regatta und frischem Fisch direkt aus der angrenzenden Bucht – oder das Irish Vegan Festival am 9. April in Belfast. Für Interessierte stehen auch verschiedene Food-Guides zum Download bereit. Und damit auch Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten in Nordirland ohne Einschränkungen schlemmen können, wurde jüngst die Seite www.glutenfreeireland.com lanciert.
Das Interview mit James McIntosh, in dem er seine Lieblingsrestaurants in Nordirland und sein Rezept für irisches Kartoffelbrot verrät:
Wie kam es, dass Sie Botschafter für nordirische Küche wurden?
Ich bin auf einer kleinen Farm im nordirischen Armagh aufgewachsen. Eine Region, die vor allem für Äpfel der Sorte Bramley bekannt ist und liebevoll „Orchard County“, also „Grafschaft der Obstgärten“, genannt wird. Meine Mutter gab Unterricht im Fach Ernährung. Man kann also sagen, dass mir die Liebe zu gutem Essen in die Wiege gelegt wurde. Später, nach meinem Master in Ernährungswissenschaften, wurde ich 2008 mit dem Gourmand World Cookbook Award für meine Bücher über nordirisches Essen geehrt. Danach präsentierte ich Food-Formate im chinesischen Fernsehen. Vor der Kamera redete ich auch über Nordirland, was dazu führte, dass das englische „Farmer’s Weekly“-Magazin mich zum Botschafter für britisches Essen kürte und von dort ging dann die Reise los. Ich bin wirklich sehr stolz auf meine Heimat und auf seine warmherzigen, gastfreundlichen Menschen.
Können Sie typisch nordirisches Essen beschreiben? Was sind seine besonderen Merkmale?
Man kann darüber streiten, ob Nordirland eine „Küche“ als solche hat. Wir haben bestimmte Brote und Kuchen und das berühmte Ulster Fry-Frühstück. Außerdem gibt es Kartoffelgerichte wie Boxty, die ursprünglich aus Nordirland kommen. Aber was die nordirische Küche tatsächlich definiert, ist die Qualität der Erzeugnisse: Nordirland hat durch den Golfstrom ein besonderes Mikroklima. Dadurch entstehen Bedingungen, die der französische Begriff „terroir“ gut beschreibt, also ein perfektes Zusammenspiel von Klima, fruchtbaren Böden und Landwirten, die schon seit Generationen mit ihren Familien dieselben Felder bestellen. Landwirtschaft liegt uns im Blut. Und so haben wir alte Tier- und Gemüsearten erhalten, die besonders gut schmecken und nahrhaft sind. Gleichzeitig gibt es heute neue Verarbeitungsmethoden. Beides zusammen führt dazu, dass wir vom fantastischen, salzgereiften Rindfleisch bis zum wohl besten Räucherlachs alles bieten können. Auch unsere Getränke-Industrie bekommt mit Cidern, saisonalen Bieren und Shortcross-Gin immer mehr Beachtung. Nordirland gewinnt mehr Preise für Nahrungsmittel und Getränke als jeder andere Teil des Vereinigten Königreiches, und was hier hergestellt wird, wird von vielen Starköchen gepriesen. Trotz dieser Tatsache ist Nordirland noch immer eines der bestgehüteten kulinarischen Geheimnisse der Welt und in Verbindung mit den wunderschönen Landschaften einfach ein Muss für jeden „Foodie“.
Hat sich die nordirische Küche im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte verändert?
Immens sogar! Früher bestand unser Essen nur aus „Fleisch und zwei Sorten Gemüse“. Aber durch zunehmende Einflüsse von außen haben wir unsere typischen nordirischen Speisen mit unterschiedlichen Aromen und Verarbeitungsmethoden kombiniert und so Geschmackserlebnisse kreiert, die man in der Form nirgendwo anders findet. Auch hat Nordirland eines der besten Systeme zur Rückverfolgbarkeit von landwirtschaftlichen Produkten in ganz Europa. Das hilft uns, die Authentizität unserer Erzeugnisse zu erhalten. Nach unserer schwierigen Vergangenheit schweißt uns unsere Küche zusammen, und jetzt, da 2016 das Northern Ireland Year of Food and Drink ist, teilen wir die Geschichte unseres Volkes sozusagen „über den Teller“ mit anderen.
Können Sie drei Restaurants in Nordirland empfehlen?
Nordirland hat großartige Restaurants, die meist Lebensmittel mit sehr kurzen Transportwegen verarbeiten. Um die Verbindung von Geschichte und Essen zu erleben, sollte man am besten eines der Hastings-Hotels besuchen. Ihre Gerichte bestehen aus lokalen Zutaten und sind exzellent zubereitet. Zudem bekommt man mit jedem Mahl ein kleines Büchlein, das die Geschichte der Lebensmittel und ihrer Hersteller erzählt. Sowohl das Restaurant Eipic des Starkochs Michael Deane als auch das Ox, beide in Belfast, haben Michelin-Sterne. Mein ganz persönlicher Favorit ist aber das James Street South, das es, neben dem Boathouse in Bangor, dem Eipic und dem Ox in den „La Liste“-Führer der 1000 besten Restaurants der Welt geschafft hat.
Was ist Ihr nordirisches Lieblingsgericht?
Ich habe mehr als ein Lieblingsgericht. Jedoch muss man unbedingt unsere Kartoffeln probiert haben, die in Geschmack und Konsistenz mit keiner anderen Kartoffel dieser Welt vergleichbar sind. Außerdem gedeihen in Nordirland viele verschiedene Sorten. Potato farl, also unser nordirisches Kartoffelbrot, ist sehr einfach in der Zubereitung und wichtiger Bestandteil des Ulster Fry-Frühstücks… und so ganz anders als das deutsche Kartoffelbrot.
Man benötigt
· 500g Kartoffeln, geschält und gewürfelt · 4 Esslöffel Butter, plus etwas mehr zum Servieren · eine gute Prise Salz · 1–2 Becher Mehl |
Zubereitung
Salzkartoffeln kochen und mit Butter und Salz zu Kartoffelstampf verarbeiten. Das Mehl nach und nach untermischen und vorsichtig unterrühren bis sich ein geschmeidiger Teig ergibt, der nicht zu klebrig ist. Wieviel Mehl genau man braucht, kommt auf den Feuchtegrad der Kartoffeln an. Dann den Teig auf einer mit Mehl bestäubten Oberfläche ausrollen, bis er circa einen halben Zentimeter dick ist. Die Ränder begradigen und den Teig in jeweils zehn Zentimeter große Quadrate schneiden. Das mag rustikal aussehen, aber genauso essen wir es. Am Ende eine große Pfanne erhitzen, Öl oder Butter werden nicht benötigt. Wenn die Pfanne heiß ist, die Hitze ein wenig herunterdrehen und die Teigstücke von jeder Seite braten, bis sie goldfarben sind. Dann ein wenig Butter darauf verteilen – und genießen. „Farl“ kommt aus dem Gälischen und bedeutet „Viertel“.